/ Jana Winkler
Professor Ivan Dokmanić vom Departement Mathematik und Informatik der Universität Basel hat einen renommierten ERC Consolidator Grant für sein Forschungsprojekt PHASESHIFT – Phase-Space Foundations for Scientific Machine Learning erhalten. Die Förderung zählt zu den prestigeträchtigsten Auszeichnungen in der europäischen Forschungslandschaft und unterstützt ein fünfjähriges Programm, das die Grundlagen von KI-Methoden für wissenschaftliche Anwendungen fundamental neu denken will.
Das Forschungsteam um Prof. Dokmanić betont die wachsende Bedeutung nachvollziehbarer und stabiler neuronaler Netzwerke. Scientific Machine Learning (SciML) spielt heute eine zentrale Rolle in Bereichen wie medizinischer Bildgebung, Klimamodellierung, Materialwissenschaften und Erdsystemforschung. Trotz beachtlicher Fortschritte stehen aktuelle KI-Modelle vor erheblichen Herausforderungen: Sie benötigen enorme Datenmengen und Rechenressourcen und verhalten sich oft wie Black Boxes.
PHASESHIFT setzt genau hier an. Das Projekt untersucht, wie universelle Hamilton-Strukturen und Phasenraum-Lokalität genutzt werden können, um Stichprobeneffizienz und Lipschitz-Stabilität gegenüber bestehenden Netzwerkarchitekturen signifikant zu verbessern. Darüber hinaus soll eine neue Generation interpretierbarer Ersatzmodelle entwickelt werden, die weit über klassische PDE-basierte Physik hinausreichen. Ein weiteres Ziel ist die systematische Erforschung der Rolle von Skalierung in Daten und physikalischen Prozessen.
Das Projekt PHASESHIFT ist um vier strategische Forschungsziele herum aufgebaut, die gemeinsam ein neues Fundament für Scientific Machine Learning schaffen sollen:
Microlokale Phasenräume für inverse Probleme und neuronale Operatoren
Anstatt KI direkt mit Bildern oder Messdaten arbeiten zu lassen, untersucht PHASESHIFT einen anderen mathematischen Raum, in dem komplizierte physikalische Prozesse einfacher werden. Das kann zu verlässlicheren KI Modellen führen, die weniger Daten benötigen und neue Möglichkeiten für Bildgebung, Wellenphänomene und dynamische Systeme eröffnen.
Diskrete kinetische Phasenräume als Grundlage für generelle Physik-Modelle
Heute versuchen KI-Modelle meist, bestehende physikalische Gleichungen nachzuahmen. PHASESHIFT geht einen Schritt weiter: Es entwickelt Modelle, die sich an der Bewegung und dem Verhalten von Teilchen orientieren. So könnten Prozesse beschrieben werden, für die es bislang keine etablierten Gleichungen gibt. Dies ist ein Weg hin zu einer neuen Generation transparenter, vielseitiger wissenschaftlicher Modelle.
Modellierung von Skaleninteraktionen in Raum und Zeit
Viele Phänomene, wie etwa Stürme oder Erdbeben, entstehen durch Prozesse, die gleichzeitig auf sehr kleinen und sehr großen Skalen stattfinden. PHASESHIFT entwickelt KI-Methoden, die diese vielschichtigen Wechselwirkungen von Grund auf berücksichtigen. Dadurch lassen sich besonders komplexe Systeme genauer und mit deutlich weniger Daten beschreiben.
Anwendung in der Bildgebung und Erdsystemforschung
Die neuen Methoden werden in drei anspruchsvollen Bereichen erprobt: in der hochauflösenden Bildgebung biologischer Strukturen, in der Auswertung seismischer Messungen und in der Modellierung natürlicher Gefahren wie Erdrutschen oder Lawinen. Diese Beispiele zeigen, wie die Entwicklungen von PHASESHIFT sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch gesellschaftliche Anwendungen voranbringen können.
PHASESHIFT soll nicht nur methodische Fortschritte erzielen, sondern auch breiter wirken. Die Forschenden möchten zur Entmystifizierung komplexer wissenschaftlicher Werkzeuge beitragen, indem Modelle nachvollziehbarer und interpretierbarer werden. Zudem positioniert sich das Projekt als Gegenentwurf zur sogenannten Bitter Lesson, wonach reine Rechenleistung oft cleverem algorithmischem Design überlegen sei. PHASESHIFT zeigt, dass durchdachte Strukturierung von Modellen beides vereinen kann: Effizienz und Interpretierbarkeit. Das Phasenraum-Konzept könnte darüber hinaus in benachbarten Disziplinen wie der Quantenphysik, der Optimierung oder der Robotik Anwendung finden.
Mit der Förderung durch den ERC erhält dieses Forschungsfeld nun entscheidende Ressourcen, um solche Perspektiven systematisch zu erschliessen und langfristig weiterzuentwickeln.
Weitere Informationen erhalten Sie in den Uni News: https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-People/ERC-Consolidator-Grants-2025-Universitaet-Basel.html