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«Es ist schwierig, der Forschung Grenzen zu setzen»

Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz stellt die Gesellschaft vor grosse Herausforderungen. Prof. Dr. Heiko Schuldt, Professor für Informatik an der Universität Basel, ist überzeugt, dass es einen verstärkten Austausch zwischen Forschenden, Regierungen und der Industrie braucht.

Herr Schuldt, welche Auswirkungen hat der Einsatz von künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt und die Gesellschaft?

In den letzten Wochen und Monaten gab es rasante Entwicklungen von KI-Tools. Der Trend wird sich bestimmt noch weiter beschleunigen und wir werden in den nächsten Monaten neue KI-Lösungen kennenlernen, die noch beeindruckender sind als die, die wir jetzt schon kennen. Es wird sicherlich dazu führen, dass Abläufe optimiert werden können und neue Angebote entstehen, die jetzt noch undenkbar sind. Es bedeutet auch, dass es neue Ausbildungsprofile braucht. Menschen müssen grundlegende IT- und KI-Kenntnisse haben, um Methoden zu verstehen und um die Transition von diesen Methoden in die Praxis zu machen. Das bezeichnen wir als Digital Literacy. Es braucht eine gute, solide Ausbildung, sodass Menschen, die in der Wirtschaft tätig sind, auch das nötige Rüstzeug mitbringen.

Können wir die künstliche Intelligenz nutzen, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel oder Pandemien anzugehen?

Die künstliche Intelligenz bietet Methoden, um riesengrosse Datenmengen auszuwerten und daraus neue Erkenntnisse abzuleiten. In dem Sinne: Ja, KI wird eine Hilfe sein. Bei KI gibt es aber einen Aspekt, der mir ganz wichtig ist: Es gibt Dinge, die technisch möglich sind, und es gibt auch Dinge, die ethisch vertretbar und sinnvoll sind. Beides ist nicht immer identisch. Wir müssen hier eine gute Balance finden. Ein Beispiel: Eine KI wird mit Daten trainiert. Wenn die Daten nicht fair verteilt sind und nicht einen fairen Zustand der Welt widerspiegeln, dann wird ein Modell erlernt, dass diese Unfairness weiter anwendet. Dessen sollte man sich bewusst sein. Wir haben an der Universität Basel vor zwei Jahren das Netzwerk Responsible Digital Society gegründet. Im Netzwerk möchten wir genau diesen Diskurs fächerübergreifend im Rahmen der Universität und auch mit der Öffentlichkeit führen. Uns interessieren die ethischen, juristischen, gesellschaftlichen, psychologischen und arbeitsmarktspezifischen Konsequenzen der digitalen Transformation und insbesondere der künstlichen Intelligenz.

Kann die Bildung von der künstlichen Intelligenz profitieren?

Definitiv. Es wäre schade, wenn man ein mächtiges Werkzeug hat, dieses aber zur gleichen Zeit verteufelt. Aber es braucht ein gutes Verständnis davon, was sinnvolle Nutzungen sind und was Nutzungen sind, die ethisch und rechtlich nicht korrekt sind. Wir sehen das zum Beispiel in der Programmierausbildung. Wenn man KI gezielt verwendet, kann man grossartige Ergebnisse bekommen. Die Menschen liefern selbst immer noch den geistigen Beitrag, bei der technischen Umsetzung erhalten sie aber Unterstützung.

In einem offenen Brief hat Elon Musk zusammen mit anderen IT-Experten einen sofortigen Stopp von KI verlangt, ansonsten verliere man die Kontrolle. Was halten sie davon?

Es gibt Argumente dafür und dagegen. Es ist schwierig, der Forschung Grenzen zu setzen. Um neue KI-Modelle zu entwickeln, braucht es zwei Dinge: grosse Datenmengen und enorme Rechenleistung. Beides, vor allem in Kombination, besitzen Hochschulen zumeist nicht mehr. Die Entwicklung liegt vielmehr in den Händen der grossen Unternehmen wie Google und Microsoft. Man könnte sagen, es ist sinnvoll, hier die Bremse anzuziehen. Aber letzten Endes werden die grossen Unternehmen die nächsten Entwicklungen vorantreiben. Wichtig ist, dass der ethische Kompass von den Hochschulen und der Gesellschaft allgemein vorgegeben wird. Kooperationen mit Unternehmen sind auch eine Möglichkeit für Hochschulen, um an vorderster Front an der Entwicklung teilzunehmen.

Unterhalten Sie solche Kooperationen?

Im Kleinen, ja. Wir haben beispielsweise vor kurzem eine Kooperation mit der Basler Firma 4eyes begonnen, damit eines unserer Systeme, das in den letzten Jahren entwickelt wurde und das KI nutzt, um grosse Bild- und Videodatenbanken durchsuchbar zu machen, in die Praxis gebracht werden kann. Solche Kooperationen sind wichtig. Damit können Lösungen, die an der Universität entstehen, auch den Weg in die Praxis finden. Das stärkt die Region Basel im ICT-Bereich.

Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Regierungen und der Industrie verbessert werden, um die Entwicklung und Implementierung von künstlicher Intelligenz zu fördern?

Es braucht eine Plattform, die den Austausch ermöglicht. Wenn alle Akteure es schaffen, sich zu vernetzen, wird sich vieles ergeben. Es wäre auch sinnvoll, wenn der Bereich ICT insgesamt deutlich gestärkt wird und wenn es vermehrt Investitionen in angewandte Forschung in dem Bereich gibt, damit Methoden in die Praxis gelangen können.

Womit befassen sich die Forschungsprojekte, die Sie am «Uni Konkret» am 12. Juni vorstellen werden?

Unsere Forschungsgruppe heisst Datenbanken und Informationssysteme. Wir arbeiten mit Big Data in verschiedenen Facetten und entwickeln Lösungen für die Datenverwaltung mit Methoden der KI und Lösungen für die KI und das Maschinelle Lernen. Eines der Projekte ist die bereits erwähnte Suchmaschine. In einem anderen Projekt geht es um die Verwaltung von grossen Datenmengen, um Daten, die möglicherweise sehr heterogen sind, aus unterschiedlichen Quellen stammen und alle ein komplett anderes Format haben. Wir haben dafür ein spezielles, neuartiges Datenbanksystem entwickelt; vier Mitarbeitende der Forschungsgruppe bzw. ehemalige Studierende haben kürzlich ein Start-up gegründet, um Polypheny – so heisst dieses Datenbanksystem – in die Praxis zu bringen.

 

Die nächste Ausgabe von «Uni Konkret» am 12. Juni widmet sich dem Thema Big Data und Datenverwaltung für und mit Künstlicher Intelligenz und bietet spannende Einblicke in die Forschung an der Universität Basel. Melden Sie sich hier für den Event an.