Gabriel Dill – Magier eines abstrakten Universums

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Preisträger des Prix Schläfli 2021: Dr. Gabriel Dill. (Foto: Michael Bosshard)

Für die Matura hat er eine Satire auf Berlusconi geschrieben – und zwar auf Latein. Und für seine mit dem Prix Schläfli prämierte Dissertation hat er ein Gebiet gewählt, das selbst für Insider ziemlich exotisch ist: die diophantische Geometrie. Gabriel Dill mags gerne etwas kompliziert.

Wer in seiner Freizeit den Ulysses verschlingt, von der «Magie» mathematischer Gleichungen schwärmt und Jahre mit der Lösung von Problemen verbringt, deren Existenz 99.9 % der Bevölkerung nicht mal bewusst ist – ja, ein solcher Mensch muss sich die Frage gefallen lassen: «Sind Sie ein Nerd?» Gabriel Dill nimmt sich Zeit für die Antwort, sucht nach Worten, um ernsthaft und adäquat zu reagieren. «Ich kann mich sehr begeistern für abstrakte Fragen, mich in realitätsferne Themen reinknien», sagt er schliesslich. Der Begriff «Nerd» aber sei ja schon etwas klischeebehaftet.

Mathematik ist etwas Soziales

«Die Mathematik ist etwas sehr Soziales», betont hingegen Dill. «Man tauscht sich ständig mit anderen Menschen aus.» Zum Beispiel in der von ihm mitorganisierten «Bernoullis Tafelrunde»: Eine Plattform für Doktorierende, die einander Vorträge über ihre Spezialgebiete halten. «Da blickt man über den Tellerrand hinaus», sagt Dill. Auch wenn diese Runde natürlich aus Gleichgesinnten besteht, die wie Dill gerne knobeln, «herumhirnen», Probleme aufstellen und lösen, die sich im realen Leben eher nicht stellen.

Einem solchen Problem widmete sich Gabriel Dill auch in seiner Dissertation in der Forschungsgruppe Zahlentheorie von Prof. Philipp Habegger an der Universität Basel. Es geht um ein Untergebiet der Zahlentheorie, die «Diophantische Geometrie». Diophantos von Alexandria war ein Mathematiker der Antike und gilt als einer der Begründer der Algebra und Zahlentheorie. Nach ihm sind die «diophantischen Gleichungen» benannt, bei denen man nach speziellen (beispielsweise ganzzahligen) Lösungen sucht. Eine Frage könnte lauten: Welche ganzen Zahlen sind Flächen von rechtwinkligen Dreiecken mit rationalen Seitenlängen? Die «Diophantische Geometrie» wiederum benutzt die Geometrie der Objekte, die durch diophantische Gleichungen definiert werden, um die Gleichungen zu lösen. Eine berühmte, bis anhin nur teilweise bewiesene Vermutung stellt eine Verbindung zwischen Geometrie und Arithmetik her. Dill hat in seiner Dissertation diese Vermutung in gewissen Spezialfällen bewiesen.

«Ehrgeizig, technisch vielseitig, originelle Ideen»

Es ist eine Welt, die für Nicht-Eingeweihte kaum zu verstehen ist. Für die Eingeweihten hingegen ist klar: Dills Dissertation ist «ehrgeizig, technisch vielseitig und enthält originelle Ideen», wie die Jury schreibt. «Der Preis ist eine grosse Freude für mich», sagt der 27-Jährige. «Ich bin stolz auf meine Dissertation und hatte das Gefühl, gute Arbeit geleistet zu haben.» Bei anderen könnte das arrogant und selbstgefällig klingen. Nicht so bei Gabriel Dill: Im Gespräch wird deutlich, dass er nicht durch Geltungssucht oder Konkurrenzwillen getrieben ist. Er ist sozusagen der Prototyp eines intrinsisch Motivierten.

In Basel mit einem 6 Jahre jüngeren Bruder aufgewachsen, entdeckte er schon früh seinen Hang zu intellektuellen Herausforderungen. Im Gymnasium belegte er Latein und Griechisch – wie schon seine Eltern. Vorbild für seine Maturaarbeit war Senecas Schmähschrift über Kaiser Claudius. Es war die Zeit, als Berlusconi mit seinen «bunga bunga»-Exzessen für Schlagzeilen sorgte. Eine Steilvorlage für den Maturanden, der seine Satire auf den römischen Möchtegern-Imperator zweisprachig auf Deutsch und Latein verfasste. Wenn er heute davon erzählt, blitzt etwas in Dills Augen auf, und man spürt, welch diebisches Vergnügen ihm diese Arbeit bereitet haben dürfte.

Und auch wenn es heute so scheinen mag, als lebe Gabriel Dill nur fürs mathematische Universum, gibt es für ihn auch eine Welt ausserhalb. Bis zu seinem Umzug nach Oxford, wo er bis nächsten Frühling als Postdoktorand forscht, hat er intensiv Geige gespielt. Er ist Mitglied der Juso Basel, geht gerne wandern und liebt das kreative Schreiben.

Man darf sich Gabriel Dill als glücklichen Menschen vorstellen. Eine Art Philosoph, der das kindliche Staunen nicht verlernt hat. «Eigentlich ist die Mathematik eine Sprache, die viele natürliche Phänomene versteht und erklärt», erklärt er und knüpft damit an die Definition der Mathematik als «Hilfswissenschaft» an. Aber er geht weiter: «Man kann diese Sprache auch einfach als Universum für sich erforschen.»

 

Dieser Text ist ursprünglich auf der Webseite der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) erschienen.