/ Informationsdienst der Gemeinschaft für Forschung und Entwicklung (CORDIS)
Mathematik liefert ein genaueres Bild der physischen Welt
Die Beobachtung mathematischer Muster kann uns dabei helfen, die Welt um uns herum besser zu verstehen. Eine wegweisende Arbeit im Bereich der Fluiddynamik half bei der Erklärung komplexer Phänomene wie Turbulenzen in einem schnell fließenden Fluss.
Dynamiken der Bewegung von Flüssigkeiten wirklich vollständig zu verstehen – etwa bei einem Fluss, der über Steine fließt, oder beim Mischen zweier Substanzen –, kann recht kompliziert sein. Physikalische Experimente können uns wertvolle Einblicke bieten, oft aber nicht genau beschreiben, was passiert.
Die Welt der Mathematik
Dies ist der Aspekt, bei dem Mathematik ins Spiel kommt, und insbesondere partielle Differentialgleichungen (PDG). „Eine partielle Differentialgleichung ist eine mathematische Gleichung, die man erhält, wenn man eine physikalische Größe – etwa die Temperatur von Wasser oder die Dichte eines Schadstoffs – nimmt und ihre Veränderungen in Raum und Zeit miteinander verknüpft“, erklärt der Koordinator des Projekts FLIRT Gianluca Crippa von der Universität Basel in der Schweiz. „Die größte Schwierigkeit besteht darin, dass Interaktionen in einem sehr unterschiedlichen Umfang stattfinden. Eine Verschmutzung, die beispielsweise in einen See eingetragen wird, wirkt sich auf unterschiedliche Teile des Sees zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich aus.“ Durch Mathematik können wir diese Dinge analytisch verstehen, auch wenn wir sie nicht umfassend beobachten oder mit Computern simulieren können. Das vom Europäischen Forschungsrat unterstützte FLIRT-Projekt erlaubte es Crippa, sich tiefgründiger mit dieser Welt zu befassen. „Die Mathematik ist natürlich eine eigenständige theoretische Wissenschaft, doch ich finde es toll, wenn wir dabei helfen können, Fragen der realen Welt zu beantworten“, ergänzt er.
Komplexe Fluidströme
Im Rahmen des FLIRT-Projekts versuchte Crippa, mathematische Modelle und Verfahren zu entwickeln, mit denen bestimmte Verhalten in Fluidströmen genauer erfasst werden können. „Dies kann auch das Hinzufügen und Einrühren von Milch in Ihren Kaffee oder das Eintragen eines Schadstoffs in einen See einschließen“, so Crippa. „Mathematische Modelle können dabei helfen zu messen, wie diese Stoffe sich mischen und homogenisieren und wie schnell dies passiert.“ Crippa interessierte sich außerdem für die mathematische Beschreibung von Turbulenzen, Fluidbewegungen, die durch unregelmäßige Veränderungen gekennzeichnet sind. „Dies ist ein faszinierender Vorgang, der mathematisch nicht ganz geklärt ist“, merkt er an. „Dennoch können wir universelle Verhaltensweisen erkennen. Die genaue Form einer Wasserströmung nach einem Stein in einem Fluss lässt sich nur schwer genau vorhersagen, doch in der Natur beobachten wir immer sehr ähnliche Muster.“
Mathe und Physik
Das FLIRT-Projekt beschäftigte sich mit mehreren Fragen und lieferte außerdem den ersten mathematischen Ansatz für einige physikalische Theorien, denen es über ein halbes Jahrhundert lang an einer theoretischen Begründung fehlte. Um 1950 stellten die Physiker Obuchow und Corrsin einige Prognosen dazu auf, wie sich die Temperatur in Fluidturbulenzen verhalten sollte. Gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen konnte Crippa mit mathematischen Modellen die Richtigkeit dieser Prognosen belegen. „Dies passt zu dem allgemeinen Fokus des Projekts, der auf der Entwicklung von Strukturen und Strategien zur Lösung von Problemen in der Fluiddynamik liegt“, so Crippa. „Wir möchten Muster für unregelmäßige Phänomene finden und sie verstehen. Mit Mathematik können wir mehr ‚sehen‘ als wir experimentell beobachten können.“ Crippa fand außerdem mathematisch universelle Grenzen, die für das Mischen von Fluiden gelten. Gibt man Farbstoff in Wasser, unterliegt der Mischvorgang bestimmten Parametern wie Geschwindigkeit und Energie. Crippa konnte Grenzen dafür feststellen, wie schnell die Vermischung des Farbstoffs mit Wasser erfolgen kann. „Ich freue mich sehr, dass die mathematische Arbeit, die wir hier geleistet haben, für Kolleginnen und Kollegen der theoretischen und experimentellen Physik von Interesse sein werden“, sagt Crippa. „Ich bin noch immer sehr Mathematiker – ich habe kein Labor und arbeite oft nur mit Kreide und Tafel. Doch ich finde es spannend, an der Schnittstelle mit anderen Bereichen zu arbeiten. Dieser Dialog ist sehr wichtig.“
Dieser Artikel ist eine Veröffentlichung vom Informationsdienst der Gemeinschaft für Forschung und Entwicklung (CORDIS).